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Buchtipps von CHIRONDO

Empört Euch – Weltbuch für ein Taschengeld

Ich sitze im Auto und versuche nach einem anstrengenden Arbeitstag zurück nach Leipzig zu kommen. Der Wagen rollt leise, fast lautlos auf die mit Warnblinker stehenden Fahrzeuge vor mir zu.

Eine Reihe Polizeifahrzeuge überholt mich und mir dämmert mit Erschrecken, dass heute das „demokratische Recht der Versammlungsfreiheit“ seine Anwendung findet – egal wie demokratiefrei das Interesse der Versammelten auch ist.

Leipzig hat „Legida“, ich habe Hunger und stehe im Stau.

Empört euch von Stéphane Hessel

Und noch während ich dann den Spruch denke, dass „Freiheit immer die Freiheit der Andersdenkenden ist“ und ICH, in meiner Freiheit nach Hause zu kommen, gerade deutlich eingeschränkt bin, überlege ich, wie ich diese Minuten sinnvoll nutzen kann. Neben mir liegt ein kleines, unscheinbar wirkendes Taschenbuch. Nichts passt besser zu der Situation und so lese ich verstehend den Titel: EMPÖRT EUCH! von STÉPHANE HESSEL. Der 93jährige Franzose, ehemaliger Widerstandskämpfer und u.a. Mitautor bei der Formulierung der Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte, die 1948 in Paris von der UNO verabschiedet wurde, schreibt über den Motor der Veränderung: die Empörung.

Der Autor wundert sich darüber, wie in Frankreich die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer werden konnte, obwohl der absolute Reichtum des Landes gegenüber der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg exorbitant gestiegen ist.

Verteilung im eigenen Land

Ich wundere mich mit Ihm und denke an Deutschland. Ich empöre mich darüber, dass nach dem Armutsbericht der Bundesregierung die Statistiker der Parteien aus einigen der Armen einfach GANZ ARME und aus einigen der Reichen einfach GANZ REICHE machten. So wird aus der Pyramide der Besitzverhältnisse plötzlich ein viel verträglicher Tannenbaum mit einer satten Mittelschicht. Die halten uns für blöd!

Armes Deutschland. Hier gehören heute 10% der Bevölkerung ca. 90% des Reichtums. Die Menge der Menschen, denen ein Leben in Armut, vor allem Alters- aber auch Kinderarmut droht, steigt beständig. Und wem gilt die Empörung? Nicht den gewählten Volksvertretern, die eine Gesetzeslage schaffen, um die Reichen zu schützen, sondern den Menschen, die aus dem zutiefst menschlichen Bedürfnis nach existentieller Sicherheit ihre Heimat verlassen.

Ein Verhalten – verschiedene Bewertungen

Als vor ein paar hundert Jahren aus ganz Europa die Menschen aufbrachen, um in der „neuen Welt“ (Amerika) ihr Glück zu suchen, da galten diese als Abenteurer und Menschen, die uns vorangebracht haben. Und zwar noch weit bevor die Emigration durch die politische Verfolgung ab 1933 seinen Lauf nahm:
Levi Strauss – „DIE Jeans“, die berühmteste Hose der Welt, Flugzeuge von Boeing, Marcus Goldmann von Goldman und Sachs – alles Menschen, die vor den Zuständen in der alten Welt geflohen sind.

Ich stelle mir gerade vor, wie es aussähe, wenn all jene Menschen, die die „Wirtschaftsflüchtlinge“ ablehnen, ihre Jeans ausziehen müssten. Kein schöner Anblick, die frierenden Ärsche – aber ich würde deutlich früher nach Hause kommen.

Als Individuum verantwortlich – auch im Unternehmen

Ich lese die Gedanken des 93 Jährigen Autors und bin fasziniert von deren Aktualität. „Sartre hat uns gelehrt, uns selbst zu sagen: Ihr seid als Individuum verantwortlich.“ Das war eine befreiende Botschaft. Die menschliche Verantwortung, die sich weder einer Macht noch einem Gott zu unterwerfen hat. Im Gegenteil, man muss sich im Namen seiner Persönlichkeit verantworten.“

Wie oft erlebe ich in Führungskräftetrainings mit Pferden von CHIRONDO, dass die Teilnehmer sich nur als „kleines Rädchen“ wahrnehmen und erst mühsam wieder lernen müssen, dass keine Organisation der Welt sie von der eigenen Verantwortung befreien kann. Und so, wie die Menschen zwar ein kleines, aber immer noch Rad mit Verantwortung im und für das System ihres Jobs sind, sind sie es auch in der und für die Welt. Verantwortung für sich und seine Welt tritt man weder ab, noch lässt man sie mit vermeintlich demokratischen Füßen treten.

Und wie weit der Weg zurück zur eigenen Verantwortung für viele der Teilnehmenden dann immer wieder ist, zeigen die Gespräche, die ich oft Monate später mit ihnen führe, um zu fragen: „Was ist vom Training geblieben?“, „Was empört dich, was dich noch vorher hätte resignieren lassen?“.

Gegen maßlose Konkurrenz – Jeder gegen Jeden

Während sich vor mir die Autokolonne langsam auflöst, fahre ich auf den nahegelegenen Parkplatz, das kleine Buch zu Ende lesen. Dabei bleibe ich an einem besonderen Abschnitt immer wieder mit den eigenen Gedanken hängen. „Die schlimmste Haltung ist die Gleichgültigkeit, die bedeutet: Ich kann nichts dafür, ich komme schon klar. Mit einem solchen Verhalten verliert ihr einen unverzichtbaren Bestandteil der Menschlichkeit.“

Und während ich darüber sinniere, wie oft mir meine mangelnde Gleichgültigkeit schon Ärger eingebracht hat, greife ich zum Telefon und sage zu Hause Bescheid, dass ich später komme. Ich muss mich erst noch gemeinsam mit tausend Anderen in der Stadt empören.

Darüber, dass Menschen ausgegrenzt werden. Ich schließe mich dem Autor an „zu einem friedlichen Aufstand gegen den Missbrauch der Massenkommunikationsmittel und der Verführung unserer Jugend zum Massenkonsum, der Verachtung der Schwächsten und der Kultur, der kollektiven Amnesie sowie der maßlosen Konkurrenz – Jeder gegen Jeden“.

Mehr Literaturvorschläge finden Sie hier.

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    Über Doreen Beier

    Die Menschen- und Pferdekennerin coacht mit ihren Pferden Führungskräfte aus ganz Deutschland. Ihr Buch „Überholen mit 1 PS – Wie Manager von Pferden lernen“ erzählt amüsant und selbstkritisch zugleich die Geschichte von CHIRONDO, erläutert psychologisches Basiswissen und liefert detaillierte Beschreibungen der Trainingsmethoden. Als Blog-Autor schreibt sie zu Führungsthemen, gibt Einblicke in die CHIRONDO Welt und stellt ihre Vision des modernen Führungskräfte-Trainings vor.
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    Autor: Doreen Beier am 4. Feb 2015 12:34, Rubrik: Buchtipps von CHIRONDO, Literatur / Buchtipps, Kommentare per Feed RSS 2.0, Kommentare geschlossen.

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